Professorin
Prof. Dr. Manuela Zude-Sasse | © havelcom concept
Interview mit Prof. Dr. Manuela Zude-Sasse: Hier kommt eine Menge Kompetenz zusammen

Die Arbeitsgruppe Präzisionsgartenbau beforscht in trans- und interdisziplinärer Zusammenarbeit die Schnittstelle von biologischen und technischen Systemen, um Produktqualität und Wettbewerbsfähigkeit im Gartenbau zu gewährleisten und Lösungen zu finden, die von der Grundlagenforschung bis zur Umsetzung in die Praxis reichen.

In der Arbeitsgruppe sind derzeit über Drittmittel finanziert sechs junge Wissenschaftler und zwei Postdocs sowie anteilig Laboranten und Programmierer tätig. In fünf Forschungsprojekten werden Grundlagen erarbeitet und der Transfer in die Praxis in Innovationspartnerschaftsprojekten herbeigeführt.

Im Interview erklärt uns Prof. Dr. Manuela Zude-Sasse vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. in Potsdam den Einsatz optischer Sensoren in der Landwirtschaft für eine nachhaltige Produktion und Steigerung der Ressourceneffizienz angesichts hoher Nachfrage nach frischen Lebensmitteln.

optiMST: Was verbirgt sich hinter dem Begriff „AgriPhotonik“?

Prof. Dr. Manuela Zude-Sasse: Darunter zu verstehen sind Methoden der zerstörungsfreien Analyse in der Landwirtschaft mithilfe unterschiedlicher optischer Sensoren. Anwendung finden sie in den Produktions- und Nachernteprozessen. Analog zum Speaking Plant Concept werden in situ Daten über Pflanzen oder Ernteprodukte aufgezeichnet: Der Apfel sagt, was er genau braucht, wodurch Ressourcen gespart und maximale Erträge erzielt werden.

optiMST: Was wird bei einer Messung erfasst beziehungsweise zu welchem Zweck werden Daten über Früchte gesammelt?

Prof. Dr. Manuela Zude-Sasse: Das kommt ganz auf den Prozess an, der gesteuert werden soll. Geht es um die Bewässerung, benötige ich täglich Daten einer Wetterstation, um die Wetterbilanzierung rechnen zu können. Ein Beispiel für die Nutzung von zerstörungsfrei erhobenen Fruchtinformationen ist die Erkennung des Übergangs von der Zellteilungs- in die Zellstreckungsphase bei Steinfrüchten. Nehmen wir die Kirsche, die klein und grün den Anschein erweckt, nicht größer zu werden. Dies ist die Phase der Steinaushärtung, in der die Früchte weniger Wasser brauchen, die Zufuhr muss entsprechend runtergeregelt werden. Der umgekehrte Fall tritt ein, sobald das Wachstum wieder einsetzt. Das ermöglicht die Durchführung einer regulierten Defizitbewässerung für eine optimale Wassernutzung.

optiMST: Wie verhält es sich mit Pflanzeninformationen?

Prof. Dr. Manuela Zude-Sasse: Bei der Blütenausdünnung etwa wird der Großteil der Blüten rausgenommen, weil ein Baum nicht alle ernähren kann. Anders als beim vorherigen Beispiel ist hier nur ein Datensatz pro Jahr oder pro Saison erforderlich. Ich kann mit einer Drohne, an der eine Kamera befestigt ist, über die Anlage fliegen oder mit einem Traktor hindurchfahren und baumspezifisch die Blütendichteverteilung anschauen und auswerten. Somit kann der Ertrag hinsichtlich Fruchtqualität optimiert werden.

optiMST: Was für Sensoren kommen dabei zum Einsatz?

Prof. Dr. Manuela Zude-Sasse: Das ist unterschiedlich, wir arbeiten in der Forschung mit Thermalkameras, RGB- sowie NDVI-Kameras, die speziell für den landwirtschaftlichen Bereich entwickelt worden sind und auf den Chlorophyllgehalt in Biomasse abzielen; mit Laserscannern (Light Detection and Ranging Systeme), mithilfe derer 3D-Punktewolken erstellt werden.
Mit anderen Sensoren kann man wiederum direkt an der Frucht messen. So lässt sich Spektroskopie im sichtbaren und nahinfraroten Wellenlängenbereich betreiben, über die wir die Fruchtsüße und wertgebende Inhaltsstoffe bestimmen können. Wir haben auch gute Ansätze entwickelt, um die Fruchtfestigkeit zu ermitteln. Ebenso können bestimmte Phenole, die Floreszenz aufweisen, zerstörungsfrei gemessen werden. Die Daten werden jeweils zu Informationen über das Ernteprodukt umgewandelt und können entlang der Versorgungskette angefangen bei der Produktion über Nachbehandlung wie Waschen der Früchte bis zur Sortieranlage und Vermarktung, Stichwort Haltbarkeitsmodelle, übernommen werden.

optiMST: Was wäre der nächste Schritt?

Prof. Dr. Manuela Zude-Sasse: Dass das, was gemessen wurde und als Information zur Verfügung steht, räumlich und zeitlich entkoppelt wird, sodass jederzeit überall Zugang zu den Daten besteht, also der klassische Digitalisierungsansatz. Die Informationen können dann im Prozess genutzt werden. Das würde bedeuten, dass die Information direkt vom Sensor etwa in die Bewässerungssteuerung eingeht.

optiMST: Das heißt, Bewässerungsanlagenhersteller müssten entsprechend in Projekte eingebunden werden.

Prof. Dr. Manuela Zude-Sasse: Genau, ein Projekt darf nicht damit enden, dass mit einem Sensor am Produkt gemessen und etwas beschrieben wird, es gilt eine Brücke zu bilden, rein in den Prozess, direkt von Maschine zu Maschine.

optiMST: Wer sind Ihre bisherigen Partner?

Prof. Dr. Manuela Zude-Sasse: Zunächst arbeiten wir mit unterschiedlichen Forschungseinrichtungen zusammen, etwa der Universität Potsdam, da viel Knowhow erforderlich ist, weil es sich um anspruchsvolle Technologien handelt. In der Abteilung für Gartenbautechnik am ATB arbeiten neben den Agrarwissenschaftlern ein Biologe, ein Lebensmitteltechnologe, eine Chemikerin und ein Maschinenbauer als Arbeitsgruppenleiter, die alle ihre entsprechenden Ansprechpartner in der Forschung haben. Zu Fragestellungen im Gemüsebau bestehen Kontakte zum IGZ, dem Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau in Großbeeren. Nicht zu vergessen die Lebensmittelindustrie und das Cluster Ernährungswirtschaft in Brandenburg. Hinzu kommen Hersteller von Gesamtsystemen, wobei diese oft fertig konfiguriert sind, sodass sie meist nicht zur Fragestellung passen. In dem Fall gehen wir dann gemeinsam einen Schritt zurück und finden eine Lösung. Andere Partner aus dem Bereich Optik sind Produzenten von Modulen, Spektrometern oder Bauteilen von Lichtquellen; in Adlershof und Golm kommt eine Menge Kompetenz zusammen.

optiMST: Wodurch ließen sich Kooperationen Ihrer Einschätzung nach intensivieren?

Prof. Dr. Manuela Zude-Sasse: Um die Verbindung optischer Kompetenz in der Region und unserer Arbeitsgruppe am ATB zu stärken, helfen Einzelgespräche. Wünschenswert wären regelmäßige Workshops, um über neue Entwicklungen und Problemstellungen zu berichten. Häufig machen wir die Erfahrung, dass die neuesten optischen Verfahren nicht bekannt sind, das heißt die potenzielle Lösung für das, was in der Praxis für frische Lebensmittel gebraucht wird.

Dieses Interview führte Marion Appelt | havelcom concept.

Manuela Zude-Sasse beendete 1996 ihr Studium Chemie und Gartenbau an der TU Berlin mit dem Masterabschluss. Drei Jahre später schloss sie ihre Promotion im Bereich Obstgehölzphysiologie (summa cum laude) an der TU Berlin ab. Erstmals leitend wissenschaftlich tätig war Manuela Zude-Sasse am ATB von 1999 bis 2003 und 2003 bis 2004 am INRA Versailles in Frankreich. 2004 habilitierte sie in für das Fachgebiet Angewandte Pflanzenphysiologie (HU Berlin). Manuela Zude-Sasse erhielt mehrere Preise: den Technologietransferpreis Brandenburg 2003 sowie die Silbermedaille Innovation „Adaptive Blütenausdünnung“ der Agritechnica Hannover 2017. Neben der Arbeitsgruppenleitung Präzisionsgartenbau am ATB seit 2005 bekleidete Prof. Dr. Manuela Zude-Sasse eine Professur an der Beuth Hochschule für Technik von 2009 bis 2017.