Backstube mit Bewässerungssystem
Volker Apitz backt Brote ganz ohne Mehl – aber mit Getreidesprossen
Die Getreidesprossen haben es angenehm kühl. „Es sind genau 19,5 Grad“, erklärt Bäckermeister Volker Apitz. Dazu hat jeder Stapel mit mindestens fünf Kisten voller Sprossen einen eigenen Wasseranschluss. 28-mal in zwei Tagen müssen die Sprossen gewässert werden. Dann sind sie aufgekeimt und reif für die Verarbeitung zum Ur-Essener-Brot. „Früher haben wir das Wässern per Hand gemacht“, sagt Apitz, der in Rohrlack bei Neuruppin die BioBäckerei Vollkern führt. Früher wurde auch nur eine Kiste Sprossen pro Tag verarbeitet. Heute sind es täglich bis zu 30 Kisten, die das Zeug für rund 700 Sprossen-Brote haben. Dafür braucht der 45-Jährige eine automatisierte Sprossenzucht „mit kontrolliertem Klima und geregelter Wassergabe“. Von der Stange gibt es das nicht. Apitz hat selbst getüftelt. Zwei Jahre lang. Er hat eine Steuerung für die 15 Ventile an den Zapfstellen programmiert. Dafür nutzt Apitz einen Raspberry-Kleinstcomputer. Seine Entwicklung wurde mit dem „Brandenburger Innovationspreis 2017“ im Cluster Ernährungswirtschaft ausgezeichnet.
"Früher haben wir das Wässern per Hand gemacht."
Beste Bio-Qualität
Volker Apitz hat seine Bäckerei Vollkern im Jahr 2000 gegründet. Ursprünglich hat der Mann, der aus Stralsund stammt, Konstruktionsmechaniker gelernt, dann aber seine Leidenschaft fürs Backen entdeckt. Er machte eine Ausbildung zum Bäcker, dann seinen Meister und ging als Ein-Mann-Bäckerei an den Start. Heute hat er 27 Angestellte, einen Hofladen und ein kleines Café neben der Backstube. Verarbeitet wird ausschließlich Getreide von Demeter-Bauern. Das Spezialbrot aus Getreidesprossen hatte Apitz von Anfang an im Angebot. „Es war ein Kundenwunsch“, erzählt er. Es gebe eine spezielle Art der Ernährung, bei der wegen der Kohlehydrate auf Brot möglichst verzichtet werden soll. Das Brot aus Getreidesprossen sei eine Alternative. Das sogenannte Ur-Essener-Brot kommt ganz ohne Mehl aus. Nur gekeimte Getreidesprossen – je zur Hälfte Roggen und Weizen – Leinsaat, Sesam, Sonnenblumenkerne und Hanfsaat bilden den Teig. Die Sprossen werden im Fleischwolf zerkleinert. „Wir sind wohl die einzige Bäckerei mit Fleischwolf“, meint Apitz und lacht. „Und wir haben gleich drei davon.“ Die Nachfrage nach dem Spezialbrot steigt stetig. Die Bio-Bäckerei Vollkern hat auch viele glutenfreie Produkte und Erzeugnisse für Veganer im Angebot. „Für mich ist es wichtig, dass meine Arbeit sinnvoll ist“, betont Volker Apitz. Dazu gehöre es, Getreide lokaler Bauern zu verarbeiten und Produkte zu liefern, die die Kunden brauchen.
"Wir sind wohl die einzige Bäckerei mit Fleischwolf."
Mit Innovation zum Rohkostbrot
Die Erzeugnisse von Vollkern gehen an rund 100 Naturkostläden in Brandenburg und Berlin sowie an weitere Läden über die Lieferbäckerei „Märkisches Landbrot“. Volker Apitz arbeitet inzwischen an einer neuen Variante seines Ur-Essener-Brots. Er möchte es als Rohkostbrot anbieten. Das bedeutet, dass es nicht wie bisher bei 140 bis 180 Grad Celsius gebacken werden darf, sondern bei weniger als 40 Grad „getrocknet“ wird. Gemeinsam mit Wissenschaftlern des Instituts für Lebensmittel- und Umweltforschung ILU in Bergholz-Rehbrücke bei Potsdam wurden die Grundlagen für eine spätere Produktion gelegt. „Der biologische Zustand des Brotteigs ist ganz fragil“, erklärt Bäckermeister Apitz. Der Teig könne in wenigen Stunden verderben. Deshalb sei das richtige Trocknen sehr wichtig. Gefördert wurde die Forschung mit einem kleinen Innovationsgutschein des Landes Brandenburg.