Wurstproduktion
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Mitarbeitergesundheit als kritischer Erfolgsfaktor in der Pandemie

Coronafrei mit durchdachten Konzepten und moderner Technik: Durch frühzeitige Erkennung von Infizierten schafften es die Eberswalder Wurst GmbH und Eberswalder Fleisch GmbH bisher ohne einen COVID-19-Ausbruch im Werk und daraus bedingter Betriebsschließung durch die Krise.

Unternehmen, die Nahrungsmittel herstellen, sichern ein Grundbedürfnis der Gesellschaft, sie sind, dieses Wort hat in Corona-Zeiten jeder gelernt, „systemrelevant“. Gleichzeitig lässt sich allein aus dem Home-Office heraus keine Produktion am Laufen halten. Menschen arbeiten in Produktionshallen und an Maschinen. Sie sind in Kontakt miteinander sowie mit den Rohstoffen und Lebensmitteln. Seit dem Ausbruch von COVID-19 stellen sich Hersteller in der Ernährungsbranche Fragen wie diese: Wie schütze ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ansteckungen mit dem Virus im Arbeitsalltag? Wie kann meine Produktion vor Ausfällen oder gar kompletter Schließung gesichert werden?

Gute Antworten auf diese Fragen hat die Eberswalder Gruppe, ein führendes regionales Unternehmen der fleischverarbeitenden Industrie in Brandenburg, gefunden. Das Unternehmen erkannte die potenziellen Gefahren früh. Es vergrößerte die Abstände zwischen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Produktion und setzte ein mehrstufiges Sonder-Hygienekonzept um. Als sich, vermittelt durch das Clustermanagement Ernährungswirtschaft, die Möglichkeit ergab, an einem Forschungsprojekt der Technischen Hochschule (TH) Wildau teilzunehmen, das sich der potenziellen Kontamination in der Lebensmittelproduktion widmete, nutzte man die Gelegenheit und wurde Praxispartner. Weiterhin involviert in das Projekt waren das Künstliche Intelligenz-Unternehmen G2K, mit Sitz unter anderem in Berlin, und das Wildauer Start-up CovIQ. Die Ausgründung aus der TH Wildau berät Unternehmen, wie sie in Zeiten der Pandemie und darüber hinaus resilienter werden, also widerstandsfähiger gegen Krisen und anpassungsfähiger an Herausforderungen und Veränderungen.

Jeder Produktionsschritt unter der Lupe

Um zu prüfen, wie die aktuell bereits eingeleiteten Veränderungen in der Produktion der Eberswalder Gruppe unter Corona-Bedingungen bewertbar beziehungsweise welche zusätzlichen und weitergehenden Maßnahmen möglich waren, wurde von der Forschungsgruppe die Prozesskette in der Produktion Schritt für Schritt unter die Lupe genommen.  Studierende befragten die Qualitätsmanager vor Ort, studierten die Unterlagen des bestehenden Hygiene-Sicherheitskonzeptes und analysierten die Workflows anhand der Lagepläne. Besonderes Augenmerk galt Momenten, in denen ein höheres Kontaminationsrisiko vermutet wurde, etwa wenn Fleisch und Gewürze zusammentreffen. Im Ergebnis zeigte sich, dass durch die eingeleiteten Maßnahmen eine Übertragung des Virus vom Menschen auf das Produkt oder andersherum quasi ausgeschlossen war.

"Der Einsatz von künstlicher Intelligenz kann von hohem Nutzen sein, ist aber aktuell oft noch so teuer, dass der typische Mittelständler solche Tools nur sehr gezielt einsetzen kann."

Jan Seitz, Leiter Strategie, CovIQ

Die Menschen schützen

Die Vorsorge- und Schutzmaßnahmen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter basieren bei den Eberswaldern mittlerweile auf mehreren Säulen, die zusammen mit CovIQ aufgebaut wurden. Dazu gehören neben den etablierten Hygienemaßnahmen, dem obligatorischen Tragen von Mund-Nasen- und Haarschutz und einer Schnellteststrategie eine digitalisierte Fieberschranke am Eingang des Unternehmens. Bei der Fieberschranke kommt das KI-System von G2K mit einer Infrarot-Kamera zum Einsatz, die die Temperatur der Eintreffenden misst, und eine sofortige Auswertung, Dokumentation und Visualisierung der Ergebnisse in einem Dashboard an der Einlasskontrolle ermöglicht.

Grundsätzlich, so die Sicht von Jan Seitz, Leiter Strategie bei CovIQ, können Unternehmen eine Pandemie wie die aktuelle bewältigen: „Der Einsatz von künstlicher Intelligenz kann dabei von hohem Nutzen sein, ist aber aktuell oft noch so teuer, dass der typische Mittelständler solche Tools nur sehr gezielt einsetzen kann – die KI-basierte ‚Fieberschranke‘ bei der Eberswalder Gruppe ist dafür ein Beispiel. Finanzkräftigere Großunternehmen können hier viel weitergehend Arbeitsbedingungen permanent mit Sensoren kontrollieren und die gewonnenen Daten intelligent auswerten.“ Viele Forschungsergebnisse seien noch zu wenig in der praktischen Anwendung, und die Übersetzung der technischen Möglichkeiten in bezahlbare Lösungen für den Mittelstand sei Gebot der Stunde, ergänzt Seitz. Chancen dafür gibt es heute bereits genug.

"Wir wollen Wege aufzeigen, wie Investitionen in die Sicherheit und Anpassungsfähigkeit von Unternehmen Kosten sparen und langfristig Arbeitsplätze sichern. Moderne Technologien spielen dabei eine wichtige Rolle."

Jens Albers, Mitgründer und Geschäftsführer CovIQ

Unternehmen von Zukunftsinvestitionen überzeugen

Jens Albers, der Mitgründer und Geschäftsführer von CovIQ, formuliert seine Vision wie folgt: „Sich gegen Krisen wappnen kostet nur Geld – so denken noch zu viele Unternehmen. Wir wollen Wege aufzeigen, wie Investitionen in die Sicherheit und Anpassungsfähigkeit von Unternehmen Kosten sparen und langfristig Arbeitsplätze sichern. Moderne Technologien spielen dabei eine wichtige Rolle.“ Albers arbeitet dafür gerne vom Standort Wildau aus: „Die Technische Hochschule ist erstklassig und Anfang des Jahres hat das Robert Koch-Institut sein Zentrum für Künstliche Intelligenz in der Public Health-Forschung in unmittelbarer Campusnähe eröffnet. In Brandenburg bekommen wir als Start-up gute Unterstützung und viel Aufmerksamkeit. Natürlich nutzen wir auch die Nähe zu Berlin und finden gute Technologiepartner in der ganzen Region.
 

Über Jens Albers und Jan Seitz von CovIQ

Jens Albers ist ein Serial Entrepreur und Mitgründer und seit Juli 2020 Geschäftsführer der CovIQ GmbH. Er promovierte in Elektronik an der Ruhr-Universität Bochum. Sein 1994 gegründetes Unternehmen Multilink Technology Corp. (MLTC) führte er im Jahr 2001 erfolgreich an die NASDAQ. Bis 2019 führte er das Berliner Unternehmen nanotron Technologies, ein Pionier von drahtlosen Echtzeitlokalisierungssystemen. Jens Albers engagiert sich als Business Mentor für Start-Ups und beim DIN und ist Vorstand beim AIM-D.

Jan Seitz studierte Logistik an der Technischen Hochschule Wildau und ist seit 2012 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in verschiedenen Sicherheitsforschungsprojekten mit Schwerpunkt auf Resilienz involviert. Er ist zudem als einer der Mitgründer der CovIQ GmbH seit 2020 in der Beratung tätig, um Unternehmen bei der Steigerung ihrer Resilienz zu unterstützen. Jan Seitz ist spezialisiert auf die Analyse und das Management komplexer Systeme.

Janina Löbel

Kontakt

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Löbel
Projektmanagerin
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